Müssen Azubis nach der Berufsschule noch in den Betrieb?

Müssen Azubis nach der Berufsschule noch in den Betrieb?

In Deutschland erfolgt die Berufsausbildung im dualen System, wobei die Berufsschule die Funktion als wesentlicher Kooperationspartner in der betrieblichen Ausbildung darstellt. Sie vermittelt dabei allgemeine, berufsübergreifende Ausbildungsinhalte, womit die überwiegend praktischen Inhalte im Ausbildungsbetrieb sinnvoll ergänzt werden.

Viele der theoretischen Lerninhalte haben mehr mit der beruflichen Praxis gemeinsam, als es manchmal auf den ersten Blick den Anschein haben mag, denn genau das (das kennen Sie wahrscheinlich auch aus Ihrem Ausbildungsalltag) ist oft das Argument vieler Auszubildenden: die berufsschulischen Inhalte wären nicht praxisrelevant.

Der Berufsschulunterricht kann in zwei Formen stattfinden: in Teilzeitunterricht oder in Blockunterricht. Beim Teilzeitunterricht sind die Auszubildenden meist eineinhalb oder zwei Tage in der Woche in der Berufsschule. Der Blockunterricht hingegen, ist eine Form von mehrwöchigen Vollzeitunterricht. Die Auszubildenden sind in dieser Zeit ohne Unterbrechung in der Berufsschule.

Wie ist die Zeit in der Berufsschule anzurechnen?

Paragraf 15 des BBiG sieht eine allgemeine Pflicht des Ausbildenden vor, Auszubildende für die Zeiten des Berufsschulunterrichts freizustellen. Damit soll verhindert werden, dass Auszubildende die Berufsschulzeiten nacharbeiten müssen. Ohne diese Regelung, wären Auszubildende während der Teilnahme am Berufsschulunterricht ihrer Pflicht im Betrieb nicht nachgekommen und damit könnte gegebenenfalls verlangt werden, diese Zeiten nachzuholen.

Auszubildende müssen für die Zeiten des Berufsschulunterrichts freigestellt werden.

Überschneidet sich die Berufsschulzeit mit der betriebsüblichen Ausbildungszeit, ist die Anwesenheitspflicht der Auszubildenden im Unternehmen ausgesetzt. Der Ausbildungsbetrieb muss den Auszubildenden die für die Teilnahme am Berufsschulunterricht erforderliche Zeit gewähren. Auszubildende dürfen also während der Berufsschulzeit nicht in den Betrieb einbestellt werden.

Die Freistellungspflicht gilt nicht nur für die Teilnahme am Berufsschulunterricht, sondern auch für Zeiten, in denen zum Beispiel Nachhilfeunterricht oder Vorbereitungslehrgänge auf die Abschlussprüfung angeboten werden.

Gemäß Paragraf 19 Abs. 1 Nr. 1 BBiG, ist auch in den Zeiten der Freistellung das Entgelt fortzuzahlen. Die Freistellungspflicht und die Pflicht zur Fortzahlung der Vergütung, gelten sowohl für die verpflichtende, als auch für die freiwillige Teilnahme am Berufsschulunterricht.

Wer ist berufsschulpflichtig und wer nicht?

Schulpflichtig sind Jugendliche und Auszubildende, die ihre Ausbildung vor Vollendung des 21. Lebensjahres beginnen. Diese Berufsschulpflicht gilt dann für die gesamte Ausbildungszeit, also auch wenn die Auszubildenden ihr 21. Lebensjahr innerhalb der Ausbildung beenden. Auszubildende hingegen, die bei Beginn der Ausbildung 21 Jahre oder älter sind, sind berufsschulberechtigt und damit nicht mehr verpflichtet am Unterricht teilzunehmen. Sie sind jedoch durchaus berechtigt, eine Teilnahme am Berufsschulunterricht zu verlangen.

Wenn Berufsschulberechtigte an der Berufsschule teilnehmen, gilt in vollem Umfang die Freistellungs- und Entgeltfortzahlungspflicht. Es sollte auf jeden Fall kritisch hinterfragt werden, ob das Ausbildungsziel erreicht werden kann, wenn die Berufsschule nicht besucht wird. Die Industrie- und Handelskammern empfehlen, auf den regelmäßigen Besuch der Berufsschule nicht zu verzichten.

Bei der Entscheidung ob die Freistellungspflicht gilt oder nicht, muss zunächst beachtet werden, wann der Berufsschulunterricht stattfindet und wann die betriebsübliche Ausbildungszeit ist.

Grundsätzlich sind Auszubildende, für die Zeiten des Berufsschulunterrichts freizustellen, wenn diese Zeiten in der betriebsüblichen Ausbildungszeit liegen. Liegt die betriebsübliche Ausbildungszeit aber außerhalb der Schulzeiten, dann kann ein erwachsener Auszubildender länger als die betriebsübliche Arbeitszeit, jedoch begrenzt auf die maximalen Regelungen des Arbeitszeitgesetzes, eingesetzt werden.

Überschreitet die Unterrichtsdauer, die für den jeweiligen Tag vorgesehene betriebsübliche Ausbildungszeit, ist die für den Schulbesuch zusätzlich aufgewendete Zeit bei volljährigen Auszubildenden nicht auf die wöchentliche Ausbildungszeit anrechenbar. Das bedeutet, es wird dann nur die betriebsübliche Ausbildungszeit angerechnet. Dem Ausbildungsbetrieb ist es in der Praxis freigestellt, auch Erwachsene weiterhin im Hinblick auf die Anrechnung der Berufsschulzeiten auf die betriebliche Ausbildungszeit wie Jugendliche zu behandeln, das macht zum Beispiel vor den Prüfungsvorbereitungen durchaus Sinn.

Beschäftigungsverbote und Anrechnungsbestimmungen

Für jugendliche Auszubildende gilt das Jugendarbeitsschutzgesetz. Dieses sieht in Abweichung zum Arbeitszeitgesetz vor, dass Jugendliche gemäß Paragraf 8 Jugendarbeitsschutzgesetz, nicht mehr als acht Stunden täglich und nicht mehr als 40 Stunden wöchentlich beschäftigt werden dürfen. Es ist folglich eine geringere maximale Arbeitszeit zulässig.

Bei diesen Regelungen steht der Jugendschutz im Vordergrund. Eine Verkürzung der Arbeitszeit an einzelnen Wochentagen, wenn Jugendliche beispielsweise statt acht Stunden nur sechs Stunden arbeiten würden, kann dazu führen, dass sie dann an anderen Wochentagen bis zu achteinhalb Stunden beschäftigt werden dürfen.

An einem Tag mit einem vor 9 Uhr beginnenden Berufsschulunterricht, dürfen Auszubildende nicht beschäftigen. Außerdem sind Auszubildende einmal in der Woche an einem Berufsschultag mit mehr als fünf Unterrichtsstunden von mindestens je 45 Minuten freizustellen. Für Berufsschulwochen mit einem planmäßigen Blockunterricht von mindestens 25 Stunden an mindestens fünf Tagen gilt ebenso ein Beschäftigungsverbot.

Damit sich Auszubildende gut vorbereiten können, dürfen sie außerdem an dem Arbeitstag, der der schriftlichen Abschlussprüfung unmittelbar vorangeht nicht beschäftigt werden.

Findet der Berufsschulunterricht für volljährige Auszubildende außerhalb der berufsüblichen Ausbildungszeiten statt, umfasst die Pflicht zur Anrechnung auf die Arbeitszeit dann zwar auch die Pausen, nicht aber die aufgewendete Zeit zur Berufsschule und zurück an den Arbeitsplatz.

In der Praxis ist oftmals noch ein anderer Punkt zu berücksichtigen: Wenn Auszubildende morgens schon sechs Stunden in der Berufsschule verbracht haben und um zum Ausbildungsbetrieb zu kommen, noch anderthalb Stunden mit den öffentlichen Verkehrsmitteln brauchen würden, dann wäre von den möglichen Einsatzstunden kaum mehr etwas übrig. In diesen Fällen ist die Grenze einer Unzumutbarkeit zu berücksichtigen. Es kann also durchaus sein, dass für Sie als Ausbildungsbetrieb in diesen Fällen eine Freistellungspflicht und eine Anrechnungspflicht entstehen kann, da die Fahrt in den Betrieb für eine halbe Stunde Einsatz nicht sinnvoll ist.

Berechnung der restlichen Ausbildungszeit während Berufsschulzeiten

Um herauszufinden, ob Azubis nach der Berufsschule noch in den Betrieb müssen oder nicht, sind folgende Fragestellungen hilfreich:

  • Ist die Person volljährig oder nicht?
  • Wie sind die betrieblichen Ausbildungszeiten (Arbeitsbeginn und Ausbildungsende am jeweiligen Wochentag)?
  • Wie viel Zeit verbringt der oder die Auszubildende in der Berufsschule, einschließlich Pausen und einschließlich Wegezeit?
  • Inwieweit überschneiden sich diese Zeiten und wie lange ist der Zeitaufwand von der Berufsschule zurück in den Betrieb?
  • Wie viel Zeit ist bereits mit der Berufsschule und Wegezeit verbraucht und wie lange darf ich die Person dann nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz oder nach dem Arbeitszeitgesetz noch beschäftigen?
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