Wer haftet, wenn Azubis einen Schaden verursachen?

Grundlagen der Haftung im Ausbildungsverhältnis

Es ist nur allzu menschlich, dass auch im Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnis Fehler passieren können. Je länger Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Auszubildende ihre Arbeitsleistung erbringen, desto mehr wird irgendwann die Abnahme der Konzentrationsfähigkeit kaum zu vermeiden sein. Wenn Fehler passieren, kann sich schnell die Frage stellen, in welchem Ausmaß Auszubildende für einen Schaden haftbar gemacht werden können.

Nach den allgemeinen zivilrechtlichen Haftungsgrundsätzen müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer für kausale Schäden durch schuldhafte Pflichtverletzungen in der Regel in voller Höhe einstehen, sofern kein Mitverschulden des Arbeitgebers vorliegt. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass sie bei der Erbringung ihrer Arbeitsleistung fremdbestimmt im Interesse des Arbeitgebers handeln.

Es macht keinen Unterschied, ob es sich um ein Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis handelt. Die Arbeitsleistung erfolgt daher im Risikobereich des Arbeitgebers. Dieser trägt das sogenannte Betriebsrisiko und hat zudem die Möglichkeit, sich durch den Abschluss entsprechender Versicherungen gegen eine Vielzahl von Störungen des Betriebsablaufs abzusichern.

Die Rechtsprechung schließt hieraus im Ergebnis, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer grundsätzlich schutzwürdiger sein können, wenn sie im Rahmen einer betrieblich veranlassten Tätigkeit Pflichtverletzungen begehen, die zu einem Schaden des Arbeitgebers führen.

Eingeschränkte Arbeitnehmerhaftung: Was gilt für Azubis?

Deshalb hat das Bundesarbeitsgericht in ständiger Rechtsprechung die sogenannte eingeschränkte Arbeitnehmerhaftung entwickelt. Diese greift dann, wenn eine Schädigung des Arbeitgebers auf einer betrieblich veranlassten Tätigkeit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern beruht.

Die Tätigkeit muss den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Rahmen ihrer Arbeitsleistung übertragen worden sein oder deren Ausführung muss zumindest im betrieblichen Interesse gelegen sein.

Wenn keine ausdrückliche Weisung vorliegt, müssen sie jedenfalls subjektiv in berechtigter Weise davon ausgehen dürfen, im Interesse des Arbeitgebers zu handeln. Nicht umfasst sind damit Handlungen, die nur bei Gelegenheit der Arbeitsleistung erfolgen. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn Auszubildende in einem Logistikunternehmen eine reine Spaßfahrt mit einem Gabelstapler unternehmen.

Verstoßen Auszubildende mit ihrer Handlung gegen eine Weisung des Arbeitgebers, so lässt dies nicht grundsätzlich den Betriebsbezug entfallen.

Haben Auszubildende bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen, die beim Arbeitgeber zu einem kausalen Schaden geführt hat, ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts anhand des Verschuldungsgrads zu prüfen, inwieweit sie für den Schaden haftbar gemacht werden können.

gesetze und paragrafen für ausbildungsrecht
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Haftungsstaffelung nach Verschuldensgrad

Hierfür hat das Bundesarbeitsgericht folgende Staffelung entwickelt:
Bei einfachster oder leichtester Fahrlässigkeit (geringfügige und leicht entschuldbare Pflichtverletzung) sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer demnach nicht haftbar.

Bei mittlerer Fahrlässigkeit ist der Schaden unter Bildung einer Verursachungsquote zwischen Auszubildenden und Arbeitgeber aufzuteilen. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.

Insbesondere sind dabei der Grad des den Auszubildenden zur Last fallenden Verschuldens, die Gefahrgeneigtheit der Tätigkeit, die Höhe des Schadens, das vom Arbeitgeber einkalkulierte oder durch eine Versicherung abdeckbare Risiko, ein Verstoß gegen Weisungen des Arbeitgebers und das von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bezogene Entgelt von Bedeutung.

Persönliche Umstände als Haftungsmilderung

In den Abwägungsprozess können darüber hinaus auch die persönlichen Verhältnisse der Person einfließen. Berücksichtigt werden können somit die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Familienverhältnisse und das bisherige Verhalten im Betrieb.

Eine vollständige Haftung der Auszubildenden kommt regelmäßig nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz in Betracht. Bei grober Fahrlässigkeit kann eine Einschränkung der Haftung allerdings auch dann in Betracht kommen, wenn sich ein besonders hohes Schadensrisiko verwirklicht hat, das außer Verhältnis zur Vergütung steht.

Nach der Rechtsprechung sind die vorgenannten Grundsätze nicht abdingbar, insbesondere nicht zu Lasten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Sie gelten zudem auch im Berufsausbildungsverhältnis.

Haftung gegenüber Kolleginnen und Kollegen

Eine Haftung des Arbeitnehmenden kommt auch gegenüber Kolleginnen und Kollegen in Betracht. Bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit gilt allerdings ein weitgehender Haftungsausschluss für Personenschäden gemäß Paragraf 105 SGB VII. Den Geschädigten eines Arbeitsunfalls stehen regelmäßig Ansprüche gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung zu.

Um Haftungsgefahren für Ausbilderinnen und Ausbilder zu vermeiden, sollten sie ihren Einweisungs- und Kontrollpflichten nachkommen. Das bedeutet, dass sie die Auszubildenden ganz konkret in den jeweiligen Betriebsprozessen ausbilden und ihnen die einzelnen Schritte zeigen, damit diese die Tätigkeit dann selbstständig ausführen können.

Ausbilderinnen und Ausbilder müssen außerdem ihren Kontrollpflichten nachkommen und überprüfen, ob die Auszubildenden die Aufgabe wirklich verstanden haben und ausführen können oder ob sie bei der Erfüllung Schwierigkeiten hatten, bei denen die ausbildende Person eingreifen muss.

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